Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum
Stress ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Gesteigerter Druck von außen, geringe Entscheidungsfreiheit und ein gesteigerter Selbstanspruch sind die Auslöser für unsere heutigen Stressreaktionen. Die WHO bezeichnet Stress als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts.
Der Begriff Stress, stammt aus der Physik und beschreibt, wie stark sich ein Material unter der Einwirkung einer bestimmten Kraft verformt. So wie sich ein Material verbiegt, wenn eine große Kraft auf ihn einwirkt, verbiegen auch wir uns, wenn wir uns Stress aussetzen.
Eigentlich ist Stress ein Zaubertrick unseres Körpers. Stress ist eins unserer Urinstinkte, der aktiviert wird, wenn wir uns in einer Gefahrensituation befanden. Ein besonders harter Winter brachte uns in die Lage kämpfen zu müssen, die Begegnung mit einem wilden Tier sagte uns, dass wir fliehen müssen. Kämpfen oder Flüchten. Bei beiden Varianten benötigt der Körper Energie und zwar sofort, und das in unseren Muskeln. Stress ist also nichts schlechtes. Schlecht und ungesund wird er erst, wenn wir uns dauerhaft in Stresssituationen befinden und keine Zeit für die Entspannung mehr finden.
Die Biochemie von Stress
In unserem Körper läuft bei Stress ein biochemischer Prozess ab. Adrenalin wird freigesetzt, um mehr Energie bereitzustellen. Adrenalin regt das Herz an, schneller zu schlagen und verengt gleichzeitig die kleinen Blutgefäße. Die großen Muskelgruppen, die die für Kampf oder Flucht notwendig sind, werden mit mehr Blut und Sauerstoff versorgt und werden leistungsfähiger. Zu den großen Muskelgruppen gehören die Muskeln, die benötigt werden um eine Bewegung auszuführen: der Gesäßmuskel, die Oberschenkelmuskulatur, die Rückenmuskulatur sowie die Brustmuskulatur. Adrenalin weitet die Bronchien, so dass wir mehr Sauerstoff aufnehmen und die Atemfrequenz sich erhöht. Wir atmen schneller und flacher, weil sich die Blutgefäße verengen. Deswegen werden bei Stress auch oft unsere Hände und Füße kalt.
Neben dem Adrenalin schüttet unser Körper das Stresshormon Cortisol aus, um die Immunabwehr anzukurbeln. Es wird entzündungshemmend und antiallergisch. Für den Fall einer Verletzung, wird der Körper vor eindringenden Bakterien oder Fremdkörpern geschützt. Die Immunabwehr des Körpers wird durch Cortisol herabgesetzt.
Endorphine sind Glückshormone. Sie lassen uns Schmerzen weniger spüren, hemmen die Darmtätigkeit und unterdrücken das Hungergefühl. Wir nehmen Belastung und Ermüdung weniger wahr und fokussieren uns auf das Überleben. Außerdem wird Oxytocin, das sogenannte Kuschelhormon, ausgeschüttet, das unser Herz schützt.
Als Folge dieses Hormoncocktails, können wir nicht mehr so gut denken. Unsere Pupillen weiten sich und wir erkennen besonders uns Bekanntes. Das ist der Grund, warum wir in stressigen Situationen und unter Druck nicht kreativ denken können. Stress mindert unsere Kreativität. Die regenerativen Prozesse wie Verdauung und Nahrungsverwertung werden gedrosselt.
Möglichkeiten des Stressabbaus
Stress können wir am besten über unseren Körper regulieren. Wenn wir die Energie nutzen, die dem Körper zur Verfügung gestellt wird, dann reagieren wir im Sinne der Natur. Das heißt, dass Sport, wie Laufen uns gut tut. Da allerdings nicht jeder Mensch gerne läuft, ist es wichtig, dass das was wir tun, uns Spaß macht. Deshalb kann Bewegung auch Gartenarbeit, Spazierengehen, Yoga, Schwimmen oder Tanzen sein. Es kann alles sein, was dir gut tut.
Entspannungsphasen sind Teil des Stressabbaus. Obwohl wir uns viel weniger bewegen, als zu Urzeiten und noch bis vor Jahrzehnten, zeigt unser Körper die selben Stressreaktionen in Form unseres Hormoncocktails. Während wir uns in unseren Urzeiten, nach einem sehr kalten und somit stressigen Winter, wieder erholten, also Zeit zur Regeneration hatten, fühlen wir uns heute dauergestresst. Heutzutage sind wir gestresst, haben das Bedürfnis zu entspannen, doch dann kommt bereits der nächste Stressor. Das heißt für uns, dass wir Stress sukzessive aufbauen und so die Gefahr laufen irgendwann an einem Burn Out zu erkranken.
Cocktail der Gefühle
Neben den Stresshormonen, werden Neurotransmitter ausgeschüttet. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die zwischen den Nervenzellen vermitteln. Über die Neurotransmitter funktionieren Gedanken, Gefühle und Bewegungen. Unsere Gefühle sind körperlich wahrnehmbar und jedes Gefühl ist mit einer typischen körperlichen Reaktion verbunden. Unser Körper stellt zum Beispiel einen Cocktail für Wut und Ärger bereit.
Du kannst beobachten, wie dein Körper auf deine Stimmungslage reagiert.
Jedes Mal, wenn wir eine Alltagssituation bewerten, schwingt ein Gefühl mit und dieses Gefühl führt zu einer Ausschüttung der Botenstoffe. Ein Beispiel, ich bin im Auto auf dem Weg zu einem Termin, ich bin bereits zu spät dran. Erst habe ich den Autoschlüssel nicht gefunden, dann war der Tank vom Auto leer, ich musste tanken und nun stehe ich auch noch im zähen Verkehr. Die Situation ist nervenaufreibend und ich werde wütend. Ich bin gestresst. Ich bewerte diese Situation negativ und sie sendet einen Reiz aus. Nun besteht die Möglichkeit, dass ich reagiere und genau da habe ich einen Raum von 10 bis 15 Sekunden, um mein Stresslevel wieder runterzufahren. Denn der Cocktail, der auf die Bewertung der Situation ausgeschüttet wird, wird ganz schnell wieder vom Körper absorbiert. Nämlich innerhalb von 10 bis 15 Sekunden. Das ist die Zeit, die ich abwarten muss und ich mich wieder regulieren kann. Wenn ich gestresst bin und nicht sofort reagiere, sondern diese Sekunden abwarte. Einen Schritt zurück trete, bis 10 zähle und einfach wahrnehme, was körperlich mit mir passiert, habe ich eine Chance nicht in den Stress hineinzufallen. Ich beobachte in der Situation, dass mein Herz schneller schlägt und ich schneller atme, oder sogar vergesse zu atmen. Mein Atmen geht nur bis zum Hals. Ich atme nicht mehr in die Brust und schon gar nicht mehr in den Bauch. Wenn ich das beobachte, lege ich mir die Hand auf den Bauch und atme tief in sie hinein. Ich spüre, wie ich mich nach einer Weile wieder entspanne und wieder logisch denken kann.
Der Psychologe Viktor Frankl schreibt: Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum haben wir die Wahl der Entscheidung. Und in unserer Reaktion liegen unsere Macht und unsere Freiheit.
Diesen Ablauf, eine Situation neu zu bewerten und von dem Reiz zurückzutreten, kann durch Meditation geübt werden. Dazu ist weder ein Turban, noch das Sitzen im Schneidersitz notwendig, alles was benötigt wird, ist Konzentration auf den eigenen Atem und das Wahrnehmen des eigenen Körpers.
Aber nicht nur Meditation kann Grundlage sein, sondern auch bewusstes Anspannungs- und Entspannungstraining. Dieses Anspannungs- und Entspannungstraining nutze ich zum Beispiel bei achtsamen Lauftrainings, bei denen ich zwischen den Spannungs-Leveln wechsle.